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Sie stellen die These auf, dass viele Fördermittel auf der Straße liegen bleiben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Das attraktive Förderprogramm Heizungsoptimierung beispielsweise gibt es schon seit 2016. Es wird oftmals aber nicht in Anspruch genommen, obwohl es vom Bundeswirtschaftsministerium mit der Kampagne „Deutschland macht‘s effizient“ sogar intensiv beworben wird. Dabei fördert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit dem „Förderprogramm Heizungsoptimierung“ inzwischen fast alle Komponenten rund um den Heizkessel mit einem 30-prozentigen Zuschuss auf Produkte und Installation. Wählt man die richtigen Komponenten und hält man sich konsequent an die Vorgaben der Förderrichtlinie, sind in speziellen Kombinationen sogar Förderquoten von bis zu 50 Prozent beim Heizungstausch möglich. Aus meiner Sicht ist das ein sehr attraktives Angebot.
Im Privatkundenbereich spielt hierbei die starke Auslastung des SHK-Handwerks eine entscheidende Rolle. Solange die Auftragsbücher des Handwerks voll sind, bestehen für das Handwerk als „point of sale“ kaum Anreize, Förderprogramme zu promoten um die Investition beim Kunden zu reduzieren.
Bei professionellen Investoren wie Wohnungsunternehmen, Energieversorgern, Contractoren oder Wärmelieferanten ist der Flaschenhals momentan die sogenannte De-minimis-Regel, welche die Förderung in drei Jahren auf insgesamt 200.000 Euro pro Antragsteller begrenzt. Durch die De-minimis-Regel werden Chancen vertan und potenzielle Multiplikatoren nicht ausreichend berücksichtigt.
Wäre es dann nicht sinnvoll, wenn das Bundeswirtschaftsministerium die de-minimis-Regel überdenken würde?
Sicher! Ich gehe davon aus, dass sich bei Wegfall dieser Regelung mehr Unternehmen für eine geförderte Heizungsoptimierung entscheiden würden und dadurch die Qualität und die Quantität der Heizungsoptimierungen gesteigert würden. Momentan erhalte ich glücklicherweise positive Signale aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Das Problem der De-minimis-Regel scheint erkannt worden zu sein und wird wohl im Rahmen der Überarbeitung der Förderprogramme 2020 gelöst. Konkret könnte das heißen, dass private Selbstnutzer beschränkungsfrei bleiben, sog. Kleinvermieter weiterhin die Förderung im Rahmen der De-minimis-Regelung in Anspruch nehmen können und größere Vermieter bzw. Contractoren nach den Regelungen der AGVO (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) bewertet werden. Damit verbessert sich für diese Investorengruppe der Zugang zu den Fördermitteln der Heizungsoptimierung. Die konkrete Ausgestaltung scheint noch in Arbeit.
Ist es teilweise für Unternehmen zu schwer, im „Förderdschungel" durchzublicken? Was sind neben der De-minimis-Regel die konkreten Hemmnisse, Förderungen in Anspruch zu nehmen?
Ich denke, dass es inzwischen eine gut strukturierte Aufbereitung der einzelnen Fördermittel gibt. Nichtsdestotrotz gibt es gute Gründe, dass das Bundeswirtschaftsministerium momentan an einer Vereinfachung und Integration der Fördermittel arbeitet. Der Bund führt derzeit eine Reihe von Förderprogrammen – Energieeffizient Bauen und Sanieren (CO2-Gebäudesanierungsprogramm), Marktanreizprogramm, Anreizprogramm Energieeffizienz, Heizungsoptimierungsprogramm – zusammen um den „Förderdschungel“ etwas zu lichten.
Meine Erfahrung ist aber auch, dass bei den Adressaten der Förderung Informationen oftmals nicht ankommen. Hier sehe ich zum einen die entsprechenden Verbände potenzieller Förderadressaten in der Pflicht, ihre Mitglieder zu informieren. Zum anderen scheinen Informationen manchmal zwar noch die Geschäftsführung größerer Unternehmen zu erreichen, aber nicht dorthin zu gelangen, wo die Entscheidung über eine Investition im Gebäude getroffen wird.
Würden Sie sagen, dass im Gebäudebestand mehr saniert werden muss?
Ja. Es steht fest, dass wir mit der momentanen Sanierungsquote im Bestand die Klimaziele im Gebäudebereich nicht erreichen werden. Trotz der vorhandenen Förderprogramme stagniert die Sanierungsquote des Gebäudebestandes seit Jahren.
Beunruhigend finde ich in diesem Zusammenhang, dass das Umfeld für Energieeinsparungen im Gebäudesektor durchaus vorhanden ist. Die Industrie liefert hocheffiziente Lösungen, das Handwerk ist gut ausgebildet und der Staat bemüht sich auf allen Ebenen für eine angemessene Förderung und Kommunikation.
Oftmals liegt der Fehler aber im Detail. Ein Beispiel: Regelmäßig wird vergessen, den hydraulischen Abgleich bei dem Austausch der Heizungsanlage durchzuführen. Moderne Brennwertkessel kommen dann überhaupt nicht in den Bereich der Kondensation. Die Anlage ist dann zwar neu, verbraucht aber die gleiche Energiemenge wie die Altanlage. Derartige Fehler verhindern das Erreichen der Klimaschutzziele und sind ärgerlich und vermeidbar, gerade weil der hydraulische Abgleich und viele damit verbundene Maßnahmen durch das BAFA äußerst attraktiv gefördert werden. Hier greifen leider noch nicht alle Rädchen ineinander.
Liegen Ihnen Zahlen aus NRW vor? Wie schlägt sich NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern?
Im Bereich "Heizungsoptimierung" wurden 2018 in NRW 10.132 Anträge bewilligt. NRW lag 2018 bei den Anträgen im Programm "Heizungsoptimierung" im Vergleich der Bundesländer nach Bayern und Baden-Württemberg an dritter Stelle. Da sehe ich angesichts des Gebäudebestandes noch Luft nach oben.
Gibt es in NRW spezielle zusätzliche Anreizprogramme?
Das Land NRW hat die förderpolitischen Aktivitäten zur Energiepolitik in dem Förderprogramm progres.nrw gebündelt. Mit dem Programm soll die breite Markteinführung der vielen anwendbaren Techniken zur Nutzung unerschöpflicher Energiequellen und der rationellen Energieverwendung beschleunigt werden, um somit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduktion der CO2-Emissionen zu leisten. Diese Initiative ist eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits erwähnten Förderprogrammen des Bundes. Es reicht von der Lüftung über Wärmerückgewinnung bis hin zu KWK-Anlagen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Förderung von Technologien wie Wärme- und Kältenetze oder auch Wärmeübergabestationen. Hier werden Energieversorger und die Wohnungswirtschaft angesprochen. Insbesondere bei den Wärmeübergabestationen wird hier eine Lücke in der Förderung der Heizungsoptimierung des Bundes geschlossen.
Wie bewerten Sie die aktuellen Angebote von Contractoren? Wird das Angebot der Contractoren in ausreichendem Maße genutzt und falls nicht, in welchem Bereich könnte es sich besonders lohnen, stärker auf Contractoren zu setzen?
Ich sehe im Heizungsmarkt ein zunehmendes Bedürfnis nach alternativen Finanzierungs- und Betreibermodellen. Teilweise werden diese Angebote vom Verbraucher noch als zu wenig attraktiv wahrgenommen. Hier könnte der erwartete Wegfall der de-minimis-Regelung im Bereich der Heizungsoptimierung deutliche Besserung versprechen. Durch meine Zusammenarbeit mit Energieversorgern, Contractoren und Wohnungsunternehmen merke ich, dass der Wegfall der De-minimis-Regelung herbeigesehnt wird. Diese wichtigen Multiplikatoren dürfen bei der staatlichen Förderung nicht außen vor gelassen werden. Der Markt für Energiedienstleistungen wird vielfältiger, dies sollte sich auch in der Förderung widerspiegeln.
Inwiefern denken Sie, wird die Förderung im kommenden Jahr überarbeitet und was für Auswirkungen wird das haben?
Die Richtlinie ist zunächst bis zum 31. Dezember 2020 befristet. Die Entscheidung über Änderungen oder einer Verlängerung dieser Richtlinie obliegt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Zum Glück nehme ich Signale wahr, dass die Förderung für Effizienzmaßnahmen im Bereich Heizung beibehalten werden soll. Denn ein Wegfall der Förderung für den hydraulischen Abgleich und damit verbundene Techniken wie Pufferspeicher, Entgasungsanlagen, Ventile, Regelungen und Hocheffizienzpumpen ist aus meiner Sicht nicht denkbar. Man muss sich vor Augen führen: 800 TWh verbrauchen wir in Deutschland für die Erzeugung von warmen Wasser, aber nur rund 130 TWh Strom verbrauchen die deutschen Haushalte pro Jahr. Der Heizungssektor ist also ein wichtiges Instrument zur Erreichung unserer Klimaziele. Heizungen, welche heute verbaut werden, werden die nächsten 15 bis 20 Jahre im Betrieb sein. Heute muss darauf geachtet werden, dass der Stand der Technik auch die versprochene Effizienz liefert. Und dies geht nur in Verbindung mit dem hydraulischen Abgleich.
Im Bereich der Förderung des Kesseltausches wird die Förderung voraussichtlich mehr auf erneuerbare Energien und hybride Systeme setzen. Eine Förderung könnte dann durch die Installation eines Pufferspeichers ermöglicht werden, sozusagen eine Anlage renewable-ready. Die Förderung der Brennwert-Technologie könnte mit diesem Annex dann ein wichtiger Bestandteil des Förderregimes bleiben.
Weiterführende Informationen:
Verena Barton M. A.
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