Foto: Universität der Bundeswehr München
Die EnergieAgentur.NRW sprach deshalb mit Prof. Christian Kähler zur aktuellen und künftigen Bedeutung von Raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen). Prof. Kähler ist Physiker und Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München und Erst-Autor mehrerer Untersuchungen zur Reduzierung der Corona-Infektionsgefahr durch mobile Raumluftreiniger.
Am 26.11. ab 15.30 Uhr spricht Prof Kähler bei den "Ingenieurimpulsen 2020", die die Luftqualität in geschlossenen Räumen zum Thema haben.
Seit Corona macht sich Deutschland nicht allein mehr in der Fachcommunity Sorgen um die Luftqualität von Innenräumen. Für den Laien: Warum reicht die Fenster-Lüftung oder die Lüftungsanlage nicht mehr? Wie haben sich die Anforderungen an das Lüften in den letzten Monaten verändert?
Die Fensterlüftung und fest installierte Lüftungsanlage dienen nur dazu, gute Raumluft zu schaffen, also CO2 etc. aus dem Raum zu schaffen. Jetzt reicht das aber nicht mehr aus, da wir es mit einem gefährlichem Virus in der Raumluft zu tun haben. Der Luftaustausch muss eine andere Qualität haben. Und da reicht auch das Lüften über die Fenster nicht, weil Lüftung über die Fenster allein die Virenlast in der Raumluft nicht ausreichend reduziert. Zudem sind der Fensterlüftung physikalische Grenzen gesetzt. Wenn innen und außen die gleiche Temperatur herrscht, findet – ohne eine mechanische Unterstützung – kein Luftwechsel mehr statt.
Sind dann Raumluftreiniger ein Allheilmittel oder eine „Wunderwaffe“ gegen das Virus?
Nein. Mobile Raumluftreiniger müssen mindestens drei Kriterien genügen, um im Zusammenhang mit Corona eine wirkliche Hilfe sein zu können. Sie müssen erstens das Sechsfache des Raumvolumens pro Stunde filtern können. Sie müssen zweitens Filter der Klassen H13 oder H14 nutzen. Und drittens müssen sie leise sein, damit sie auch über längeren Zeitraum laufen können, ohne zur Belastung zu werden. Das sind Kriterien, die ein Gerät aus dem Baumarkt in der Regel nicht erfüllt.
Unabhängig davon darf man nicht vergessen zu betonen, dass diese Geräte grundsätzlich nicht vor einer direkten Infektion schützen. Mund-Nase-Abdeckungen oder transparente Trennwände in einem Klassenraum werden dadurch nicht überflüssig, denn nur so ist eine direkte Infektion über kurze Distanzen durch Anhusten oder längere Gespräche sicher zu vermeiden.
Wie realistisch ist dann der Einsatz solcher Anlagen, zum Beispiel in Schulen? Gäbe es überhaupt ausreichend viele Geräte?
Wir haben in Deutschland einen leistungsfähigen Mittelstand, wir haben in Gesprächen mit mehreren Unternehmen die Erkenntnis gewonnen, dass die Ressourcen vorhanden sind, eine größere Nachfrage nach solchen Geräten kurzfristig befriedigen zu können. Auch unter diesem Gesichtspunkt spricht eigentlich nichts gegen die umgehende Ausrüstung öffentlicher Gebäude – vor allem der Schulen – mit solchen Raumluftfiltern.
Und uneigentlich? Warum passiert es nach Ihrer Ansicht nicht?
Der politische Entscheidungsträger steht da mit einem Verweis auf die Kosten deutlich auf der Bremse. Dabei sind die Kosten vergleichsweise gering. Wir haben ausgerechnet, dass für alle Klassenräume bundesweit Kosten zwischen 1 und 1,5 Milliarden Euro entstehen würden – eine direkte Investition in die Gesundheit von Schülern, Lehrern, Eltern und Familien. Verglichen mit den bislang zur Stützung der Ökonomie aufgebrachten über 200 Milliarden Euro eine nur geringe Summe, weniger als ein Prozent. Nebenbei könnten wir dann auch aufhören über Schulschließungen, die ebenso einen großen volkswirtschaftlichen Schaden bedeuten, zu diskutieren.
Aber Anlagen zur Raumluftreinigung sind zusätzliche Energieverbraucher, es entstehen also vielleicht beachtliche Folgekosten. Wie kann man deren Einsatz unter Aspekten der Energieeffizienz bewerten?
Genau genommen passiert bei diesen Anlagen nicht viel: Da wird Luft schließlich nicht geheizt, sondern nur gefiltert. Man kann ja auch die Gegenrechnung aufstellen: Ohne diese Geräte werden Heizungen ohne Unterbrechung auf Volllast laufen, wenn im Winter in einem Klassenraum die Fensterlüftung konsequent praktiziert wird. Und selbst dann wird man es nicht schaffen, eine Raumtemperatur von 19 Grad Celsius zu erreichen, die zum Beispiel der Arbeitsschutz für Büroarbeitsplätze als Minimum vorschreibt. Und trotzdem werden die Heizkosten die Betriebskosten einer Raumluftreinigung deutlich übersteigen.
Die Ergebnisse Ihrer Untersuchung weisen die Sinnhaftigkeit von Luftfilter-Anlagen nach. Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich nach Ihrer Ansicht daraus für die künftige Planung und Umsetzung von Lüftungsanlagen?
Wir haben uns in unseren Untersuchungen auch moderne RLT-Anlagen angesehen. Da gibt es inzwischen hoch leistungsfähige, sehr gute Anlagen, die das Sechsfache des Raumvolumens mit 100 Prozent Außenluft erneuern. Eigentlich muss an den Leistungsdaten solcher Anlagen nichts verändert werden. Verändert werden müssten allerdings die Vorschriften, damit solche Anlagen langfristig zur Pflicht in öffentlichen Gebäuden werden.
Abschließend: Was empfehlen Sie, worauf muss man achten, wenn man sich nun einen Raumluftreiniger zulegen möchte?
Für den privaten Bereich sind mobile Raumluftreiniger eigentlich nicht sinnvoll. Sie reduzieren zwar effektiv die Virenlast in der Raumluft. Aber sie verringern kein Bisschen das Infektionsrisiko durch den direkten Kontakt – wie er in Familien unvermeidlich ist. Interessant werden solche Anlagen erst, wenn Familien sich zum Beispiel zu Feiern treffen. Dann ist ein gutes Gerät aus dem Elektrofachhandel vielleicht sinnvoll. Abstand muss man aber trotzdem halten!
Thomas Reisz
Kommunikation
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