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Der Geologische Dienst NRW (GD NRW) hat das Interreg-Projekt „DGE-Rollout“ initiiert und hiermit erfolgreich Fördermittel nach NRW gelenkt. Können Sie bitte erläutern, worum es in dem Projekt geht und was die wichtigsten Ziele sind?
DGE-ROLLOUT ist ein transnationales Projekt mit 18 Partnern aus sechs Ländern, bei dem der GD NRW die Funktion des Lead Partners übernommen hat. Das Ziel ist, die Nutzung der in Tiefen von 1000 Metern und mehr vorhandenen Erdwärme, also der tiefen Geothermie, als klimafreundliche Energieressource zu fördern, um CO2-Emissionen zu reduzieren und die Umwelt zu schonen. Dabei soll mithilfe der Tiefengeothermie vor allem Wärme produziert werden. Insbesondere für bereits bestehende Infrastrukturen und für größere Betriebe werden hierin gute Chancen gesehen. Die natürlichen Potenziale der tiefen Geothermie werden länder- und organisationsübergreifend erforscht und kartiert, um so die Risiken künftiger Tiefengeothermie-Projekte zu minimieren. Hierzu müssen Gesteinskörper im Untergrund erkundet werden, in denen in natürlichen Hohlräumen warmes bis heißes Wasser zirkuliert. Derzeit konzentrieren wir uns auf das hydrothermale Reservoir der karbonzeitlichen Kohlenkalk-Gruppe, das diese Voraussetzungen erfüllt und das in Belgien und den Niederlanden schon seit vielen Jahrzehnten erfolgreich geothermal genutzt wird.
Die Landesregierung setzt große Hoffnungen in die Geothermie, Vorbild ist München. Gibt es in NRW ähnliche geologische Strukturen wie im Großraum München?
Im Großraum München werden die Karbonat-Gesteine des Juras (Malm) aus dem Molassebecken seit über 20 Jahren intensiv tiefengeothermisch genutzt. Für NRW bieten die Kohlenkalk-Karbonate des Unterkarbons ein ähnlich hohes Potenzial und werden – wie zuvor bereits erwähnt – in unseren Nachbarländern Belgien und den Niederlanden schon erfolgreich tiefengeothermisch genutzt. Ebenfalls sehr vielversprechende, aber bisher ungenutzte Potenziale für die tiefe Geothermie in NRW bieten Karbonatgesteine aus der Devon- und der Kreide-Zeit. Darüber hinaus werden in Europa noch andere Gesteinsformationen tiefengeothermisch genutzt. Eine staatlich geförderte geothermale Charakterisierung des Untergrundes von NRW würde helfen, weitere tiefengeothermische Potenziale offenzulegen und damit in der Folge nutzbar zu machen.
Stichwort Metropolregion: Die Rhein-Ruhr-Region gehört zu den größten Ballungsräumen in Europa und besitzt gleichzeitig ein sehr großes Fernwärmenetz. Kann die Geothermie für die Konversion der Fernwärme in NRW eine wichtige Rolle spielen?
Im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn haben wir in NRW für große Bereiche eine exzellente Abdeckung mit Fernwärmenetzen. Das ist ein Glücksfall für unser Bundesland, denn gerade diese vorhandenen Infrastrukturen werden es in Zukunft erlauben, klimafreundliche Erdwärme kostengünstig zu nutzen. Eine Konversion der konventionellen Fernwärme hin zu nachhaltigen Wärmequellen wird in dem Projekt DGE-ROLLOUT unter anderem am Braunkohlekraftwerk Weisweiler untersucht. Geothermie wird dort und in großen Teilen von NRW in Zukunft sicher eine wichtige Rolle spielen.
Welche Herausforderungen sehen Sie grundsätzlich beim Ausbau der tiefen Geothermie in NRW?
In NRW ist bislang nur eine Tiefengeothermie-Anlage in Betrieb. Sie beheizt seit vielen Jahren erfolgreich das Schwimmbad „Nass“ in Arnsberg über eine tiefe Wärmesonde. Eine stärkere Nutzung der tiefen Geothermie ist in Zeiten des Klimawandels nicht nur wünschenswert und logisch, sondern unbedingt erforderlich. Für NRW ist es im Moment die größte Herausforderung, die natürlichen Potenziale der tiefen Geothermie zu kartieren und für den potenziellen Nutzer/Investor offenzulegen. Wie das geht, zeigen unsere niederländischen Nachbarn mit dem Projekt ThermoGIS (www.thermogis.nl). Damit sind die Niederlande mit der geothermalen Charakterisierung ihres Landesgebietes deutlich weiter als wir. Nur wenn Potenziale bekannt sind, können sie auch genutzt werden. Eine ebenso wichtige Herausforderung ist es, das standortbezogene Fündigkeitsrisiko finanziell so abzusichern, dass Investitionen in diesem Sektor erst möglich gemacht werden. Auch hemmen die anfänglich notwendigen hohen Investitionen zur Exploration noch den Ausbau der tiefen Geothermie.
Was sind die besonderen Chancen der tiefen Geothermie in NRW und welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten 10 bis 20 Jahren?
Um es etwas poetisch auszudrücken: Es liegt ein Schatz unter unseren Füßen, wir müssen ihn nur heben. Wir haben enorme natürliche Energiepotenziale, die derzeit noch nicht hinreichend genutzt werden. Darüber hinaus haben wir Wärmenetze und bei Behörden und Unternehmen eine hohe Erfahrung in bergbaurelevanten Fragen. Führende Explorations-/Bohrunternehmen des Geothermiesektors kommen aus NRW und große Energieversorger wie die RWE AG haben das Thema schon aufgegriffen. Dies alles sollten wir in NRW jetzt zusammenführen, denn ohne die Nutzung von tiefer Geothermie wird unser Land die gesteckten Klimaziele nicht erreichen können. Auch die Transformation der Gesellschaft, die ohne Kohlenutzung auskommen muss und auch möchte, wird ohne tiefe Geothermie nicht möglich sein. Im Energiemix der Zukunft wird die tiefe Geothermie eine deutlich größere Rolle spielen als bisher. In den nächsten 10 Jahren werden neue Pilot-Anlagen entstehen, die zum Ausbau der Technologie und zu einer CO2-Reduktion führen werden. Unsere geothermalen Potenziale werden erfasst sein. Ich gehe davon aus, dass es in 20 Jahren in NRW viele Unternehmen, Gemeinden und Ballungsräume geben wird, die ihren Wärme- und/oder Strombedarf mit tiefer Geothermie decken werden.
Thomas Reisz
Kommunikation
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