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Was sind aus didaktischer Sicht die wichtigsten Unterschiede zwischen Online-Veranstaltungen und klassischen Präsenzveranstaltungen?
All diejenigen, die schon einmal an einer Online-Veranstaltung teilgenommen haben, haben vermutlich schnell gespürt, dass sich virtuelle Kommunikations- und Arbeitsumgebungen stark von Präsenzveranstaltungen unterscheiden.
Zunächst ist der virtuelle Raum sehr technikbestimmt. Auch gibt es keinen gemeinsamen Veranstaltungsort, jeder sitzt in seiner persönlichen Arbeitsumgebung, so dass bei Webveranstaltungen die soziale Einbindung der Teilnehmer/innen schwerer fällt. So gibt es beispielsweise kein kollektives Plaudern beim Begrüßungskaffee und auch keine gemeinsame Mittagspause, das informelle Netzwerken muss anders organisiert werden. Außerdem ist das Arbeiten online anstrengender, die menschliche Aufmerksamkeitsspanne im Netz deutlich kürzer. Und schließlich gibt es für Moderator/innen, Referent/innen und Trainer/innen im Netz viel weniger Wirkfaktoren – nur drei, um genau zu sein: den Inhalt, die Stimme und die Körpersprache. Die Statur, die Kleidung, die Schuhe, die Bewegungen im Raum – all das ist Teil unserer Präsenz bei einer Publikumsveranstaltung, bei einer Online-Veranstaltung aber spielt all das kaum eine Rolle.
Welche Konsequenzen haben diese didaktischen Besonderheiten des virtuellen Raums für Moderatorinnen und Referentinnen von Online-Veranstaltungen zu den Themen Klimaschutz und Energiewende? Können Sie ein paar konkrete Beispiele nennen?
Beginnen wir damit, dass der virtuelle Raum sehr technikbestimmt ist. Viele Teilnehmer/innen haben noch nicht viel Erfahrung mit Online-Veranstaltungen. Deshalb empfiehlt es sich, vor dem Beginn einer Webveranstaltung ein „Onboarding“ anzubieten, um einen Technik-Check durchzuführen und den Teilnehmer/innen die Funktionen zu erklären, die sie benötigen, um aktiv an der Veranstaltung teilzunehmen. Und natürlich sollten alle Verantwortlichen einer Online-Veranstaltung eine gute Technikausstattung haben, damit Bild und Ton gut und stabil rüberkommen – schnelles Internet, LAN-Kabel statt WLAN, Headset usw.
Ein ganzer wichtiger Aspekt bei Online-Veranstaltungen ist die regelmäßige Beteiligung der Teilnehmer/innen durch interaktive Methoden. Denn weil die Aufmerksamkeitsspanne online sehr viel kürzer ist, müssen wir unsere Veranstaltungsbesucher/innen sehr viel häufiger aktivieren als in Präsenz. Hierfür steht uns auch bei Webveranstaltungen eine Vielzahl sinnvoller interaktiver Methoden zur Verfügung. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Wir dürfen das Konzept einer Präsenzveranstaltung oder einen Vortrag, der für eine Präsenzveranstaltung konzipiert wurde, nicht 1 zu 1 ins Netz übernehmen.
Das betrifft auch die Gestaltung von Folien. Für eine Webkonferenz beispielsweise sollten Folien anders gestaltet werden als für eine klassische Tagung. Manche Gäste nehmen mit mobilen Endgeräten teil, daher empfiehlt sich mindestens eine 20er, besser noch eine 24er Schriftgröße. Der Textanteil auf Folien muss deutlich reduziert, der Anteil von Bildern und Visualisierungen dagegen sollte erkennbar erhöht werden. Folien mit viel Text sind schon in Präsenz schwierig, online aber ist dieses „betreute Lesen“ erst recht problematisch.
Abschließend ein kurzer Blick in die Kristallkugel. Was denken Sie: Werden auch nach der Corona-Pandemie viele Veranstaltungen als Online-Format durchgeführt werden?
Ja, davon bin ich fest überzeugt. Denn erstens bin ich sehr unsicher, ob es jemals ein „nach Corona“ geben wird – und nicht vielmehr ein „mit Corona“.
Zweitens: Ich weiß, dass viele sich nach Präsenzveranstaltungen wie in der Zeit vor Corona sehnen, mit persönlichen Gesprächen, dieser besonderen Atmosphäre, mit Raunen, Lachen und Applaus im ganzen Saal oder Seminarraum. All dies wird eine Online-Veranstaltung niemals ersetzen können, deshalb werden wir uns irgendwann auch wieder über richtig gute Präsenzveranstaltungen freuen. Aber: Mittlerweile habe ich auch die Vorteile von Webveranstaltungen kennen und schätzen gelernt. Man denke nur an die entfallenden Reisezeiten und Reisekosten und die vielen CO2-Emissionen, die wir durch Online-Veranstaltungen vermeiden, weil das Reisen entfällt. Ich bin überzeugt, dass diese Argumente in den Augen vieler Klimaschutzakteur/innen so stark sein werden, dass es „mit Corona“ auf Dauer beide Veranstaltungsformen geben wird: klassisch und online.
Die EnergieAgentur.NRW bietet zum Thema „Energiewende im Kopf“ – Methodenkompetenz im virtuellen Raum das Webinar „Methodik und Didaktik von Online-Veranstaltungen“ an. Die nächsten Termine finden am 22.10., 17.11. und 15.12. statt.
In der Rubrik "Drei Fragen an..." äußern sich Expertinnen und Experten der EnergieAgentur.NRW zu aktuellen Fragestellungen, Good-Practice-Themen oder wissenschaftlichen Innovationen.
Dipl.-Päd. Tom Küster
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