Foto: Christof Wetter
Herr Professor, in Ihrem Projekt „EnerPrax“ erforschen Sie welche Kombinationen der Speichermöglichkeiten für verschiedene Bedarfe und Erzeugungsmengen optimal sind. Welche Speicher und Speicherkombinationen testen Sie genau?
Bei dem Projekt haben wir die Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energien am Bioenergiepark in Saerbeck, als auch den Energiebedarf der Gemeinde Saerbeck im Maßstab 1:200 verkleinert, um so mit realen Lastgängen zu arbeiten. Die im praktischen Teil des Projektes eingesetzten Speicher sind ebenfalls für diese Größenordnung dimensioniert und wurden in einer vorher erarbeiteten Machbarkeitsstudie ausgewählt. Es handelt sich dabei um eine Lithium-Ionen-Batterie als Referenz, eine Bleikristall-Batterie, eine Redox-flow-Batterie und einen Protonen-Austausch-Membran (PEM) Elektrolyseur. Darüber hinaus erwarten wir noch eine Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie eines taiwanesischen Herstellers. Wir untersuchen sowohl die Einzelspeicher-Leistungen als auch Kombinationen. Im theoretischen Teil des Projektes entwickeln wir eine Simulationssoftware, die nicht nur die Speicher und Speicherkombinationen simuliert, sondern auch weitere Lösungen beschreibt, die eher in den Bereich der Sektorenkopplung gehen. Dadurch ist es möglich, auch die Energiespeicherung in anderen Sektoren, wie im Biogasbereich, zu untersuchen.
Das Projekt führen wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern der Gelsenwasser AG, dem Gas- und Wärme-Institut Essen e.V. (GWI), den Stadtwerken Lengerich, der Saerbecker Ver- und Entsorgungsgesellschaft (SaerVE) und natürlich der Gemeinde Saerbeck durch. Die Finanzierung des Projektes erfolgt aus europäischen EFRE-Mitteln, die durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) ergänzt werden.
Welche Chancen sehen Sie in dem Projekt?
Die Konzeption des Projektes ist neuartig. Zwar werden und wurden die Speicher schon untersucht und es liegen entsprechende Ergebnisse vor, allerdings stammen diese Ergebnisse in aller Regel von den Herstellern und beziehen sich immer nur auf eine untersuchte Technologie. Wir haben mit dem erstellten Speicherzentrum sowohl die theoretischen, als auch die praktischen Möglichkeiten der Simulation sowie der realen Durchführung von Versuchen. Daher können wir in unterschiedlichsten Szenarien die Speicher be- und entladen und so deren tatsächliche Wirkungsgrade und beispielsweise das Ansprechverhalten, die Temperaturentwicklung, die Selbstentladung, die Standzeiten und viele weitere Parameter untersuchen.
Die praktischen Untersuchungen liefern uns die erforderlichen Parameter für das Simulationstool. Hier können wir dann nicht nur die tatsächlich untersuchten Technologien, sondern auch weitere Speichermöglichkeiten – zum Beispiel als Biogas, als Wärme, als Kraftstoffe – untersuchen. Des Weiteren bietet das Simulationstool die Möglichkeit die erzielten Ergebnisse auf jeglichen Ort und die dort vorhandenen Energiebereitstellungsanlagen sowie -bedarfe zu übertragen.
Welche Rolle spielt die Erzeugung von Biogas bei der Zusammensetzung von Energiespeicherlösungen und warum?
Die Erzeugung von Biogas spielt bei der Energiespeicherung eine große Rolle. Wir haben bei der Flexibilisierung von Biogasanlagen erlebt, dass die erneuerbaren Energien sich selbst stabilisieren können. Wenn genügend Strom im Netz ist, schalten sich die Blockheizkraftwerke (BHKW) der Biogasanlagen aus und nehmen so elektrische Leistung aus dem Netz, produzieren in dieser Zeit aber weiter Biogas, welches dann wieder bei entsprechendem Bedarf verstromt werden kann. Auf die mehr als 9.000 Biogasanlagen in Deutschland kommt so eine erhebliche Rolle bei der zukünftigen Energieversorgung der zu.
Inwiefern zeichnet sich bereits ab, ob der Wärme- und Kraftstoffmarkt in das System mit einbezogen werden kann?
Wie bereits erwähnt, spielt die Nutzung von Strom als Wärme- und Kraftstofflieferant eine besondere Rolle. Wir möchten das Simulationstool ebenfalls mit der Wettervorhersage koppeln, um zu erfahren, wie die Energiebereitstellung aus Sonne und Wind sich entwickeln wird und wie der Energiebedarf, beispielsweise aufgrund der Temperaturentwicklung, sich verändern wird. Hier wird dann unmittelbar erkennbar, wann es sich lohnt den Strom als Wärme, zum Beispiel durch Wärmepumpen, zu nutzen. Ähnliches gilt für den Mobilitätssektor. Hier kann Strom für Mobilität bereitgestellt werden oder Biogas kann als Bio-CNG (Compressed Natural Gas), Bio-LNG (Liquified Natural Gas), Bio-LPG (Liquified Petroleum Gas) oder als Wasserstoff bereitgestellt werden. Die technischen Möglichkeiten sind jedenfalls da. Auch die Konvertierung in Flüssigkraftstoffe ist möglich.
Gibt es bereits erste Erkenntnisse und wenn ja, welche Bedeutung haben diese für Biogasanlagen?
Die Biogasanlagen müssen schon seit langem damit kämpfen, dass die Vergütungen aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) konstant bleiben. Zum Beispiel die Kosten für Substrate aber auch für Arbeit steigen stetig. Insofern müssen sich die Biogasanlagen immer wieder neu erfinden, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Im Flexibilisierungsmarkt, und damit in der Stromspeicherung in Form von Biogas, liegt eine besondere Stärke und auch eine Chance für Biogasanlagen. Insbesondere nach Auslaufen der Vergütungen, die bislang im Rahmen des EEG gezahlt werden.
Wie sehen die weiteren Pläne für den Bioenergiepark Saerbeck aus?
Der Bioenergiepark entwickelt sich stetig weiter. Es lohnt sich also auch für Besucher – es sind bereits deutlich mehr als 100.000 – die schon einmal hier waren, wieder zu kommen und an den Führungen teilzunehmen. Die FH Münster wird ihren Standort im Bioenergiepark weiter stärken. Derzeit werden weitere Anlagen aufgebaut, die mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert werden. Unter anderem wird eine Strippanlage für die Elimination und Rückgewinnung von Ammonium sowie zwei Biogastestanlagen, die für gezielte Versuche im halbtechnischen Maßstab eingesetzt werden können, gebaut.
Darüber hinaus wird der außerschulische Lernstandort, die „Saerbecker Energiewelten“ weiter gestärkt. Allein im letzten Jahr waren hier mehr als 2.500 Schüler zu Gast und haben viel Wissen rund um die erneuerbaren Energien durch Theorie und vor allem praktische Erfahrungen erworben. Die Biogasanlage „Saergas“ der Saerbecker Landwirte wurde flexibilisiert und hat sich zukunftsfähig aufgestellt. Zudem hat die Entsorgungsgesellschaft des Kreises Steinfurt (egst) den Hauptsitz in den Bioenergiepark nach Saerbeck verlegt. Weiterhin verfügt der Bioenergiepark nun über einen eigenen Glasfaseranschluss und damit richtig schnelles Internet. Mehrere weitere Großprojekte sind derzeit in der Planung, auch die großtechnische Ansiedlung von Speichertechnologien, wobei wir derzeit noch auf der Suche nach einer geeigneten Förderung sind.
Pia Bogolowski M. A.
Themengebiet Biomasse
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